Wer schon mal in einen Autounfall verwickelt war, weiß, wie unangenehm und lästig es ist, wenn sich Schaulustige am Straßenrand sammeln oder Vorbeifahrende die Schäden vom Unfallgeschehen filmen, um es wenige Sekunden später im Internet zu posten. Schaulust wird nicht nur als pietätlos gegenüber den Geschädigten und Opfern gesehen, sondern wird mittlerweile auch als Straftat, mindestens aber als Ordnungswidrigkeit, bewertet. Denn gaffende Verkehrsteilnehmer können im schlimmsten Fall Sanitäter, Polizei und Feuerwehr behindern und mit ihrem Verhalten im Straßenverkehr Leben riskieren.
Bei schweren Verkehrsunfällen geht es oft um Leben und Tod. Unfallopfer brauchen dringend Hilfe. Dann zählt jede Sekunde. Ein gaffender Fahrer oder Passant, der den Zugang des Rettungsweges versperrt, weil er mit seinem Handy das Geschehen filmen will, kann unbewusst dafür verantwortlich sein, wenn Menschen sterben. Aber wo genau fängt eigentlich Gaffen an und wann wird es mit einer Strafe belegt?
Inhaltsverzeichnis
Das droht Schaulustigen im Straßenverkehr
Menschen sind von Natur aus neugierig. Aufdringliches Zuschauen wird nicht gleichgesetzt mit einfachem Hinschauen aus Neugierde. Jeder ist vielleicht schon mal Zeuge eines Verkehrsunfalls geworden und hat sich dabei ertappt, etwas länger als üblich hingeschaut zu haben. Das allein wird allerdings nicht unter dauerhaftem oder gaffendem Zuschauen verstanden. Und wenn doch, dann können Sie hier kostenlos anwaltlichen Rat einholen!
Warum es gefährlich ist, am Unfallort Beobachter zu sein
Neugieriges Beobachten bedeutet, dass Vorbeifahrende langsamer als nötig an einer Unfallstelle verweilen, um möglichst viel vom Geschehen erblicken zu können. Es kommt immer wieder vor, dass neugierige Beobachter am Unfallort mit ihrer Anwesenheit stören und damit die Arbeit aller Helfer erheblich stören. Gleichzeitig verursachen beobachtende Verkehrsteilnehmer oftmals gefährliche Rückstaus durch ihr unerwünschtes Fahrverhalten. Sie bremsen abrupt und im Sinne des Gesetzgebers unbegründet ab und führen so Auffahrunfälle herbei.
Der Gesetzgeber greift durch
Gaffende Verkehrsteilnehmer behindern medizinische Helfer, Notärzte und Polizisten und gefährden damit das Leben anderer. Zudem verstoßen nicht selten einige unter ihnen auch gegen die Persönlichkeitsrechte von Unfallopfern. Weil Sie ungefragt Opfer filmen und fotografieren, missachten Sie deren Persönlichkeitsrechte und machen sich damit gleich mehrfach strafbar. Auch wenn die Aufzeichnungen letztlich nicht veröffentlicht oder weiterverbreitet werden, so bleibt das Aufnehmen von Videos eine Straftat gemäß §201a Absatz 1 StGB. Die Polizei ist in jedem Fall berechtigt, Handys zu beschlagnahmen. Hier hilft letztlich nur noch eine anwaltliche Vertretung – wir prüfen Ihren Einspruch kostenlos!
Rechtliche Folgen
Beim anhaltenden Beobachten an Unfallstellen wird unterschieden zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten. Wer sich einer gaffenden Menge anschließt und nach mehrmaliger Aufforderung durch die Polizei nicht vom Unfallort entfernt, begeht eine Ordnungswidrigkeit (§113, OWiG). Dabei wird die Polizei zuschauende Passanten in der Regel dreimal auffordern, sich vom Schauplatz zu entfernen beziehungsweise die Polizei ist sogar berechtigt, Platzverweise aussprechen.
Unterlassene Hilfeleistung
Hier differenziert der Gesetzgeber zwischen direkter und indirekter unterlassener Hilfeleistung. Wer Hilfe an der Unfallstelle unterlässt, weil er zuschaut oder gar filmt, begeht eine Straftat (§323c StGB besagt, dass Erste Hilfe leisten eine Pflicht ist). Wer die Rettungsgasse für Rettungswagen versperrt, verstößt gegen die StVO und unterlässt damit indirekt Hilfe.
Bußgeld- und Strafenübersicht: für Gaffer
Verstoß | Bußgeld oder Strafe |
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Gaffen, sammeln an einer Unfallstelle und Nichtentfernen trotz Aufforderung durch die Einsatzkräfte | Ist eine Ordnungswidrigkeit, bei der ein Bußgeld von 20 bis zu 1000 Euro fällig werden kann |
Behinderung von Einsatz- und Rettungskräften (zum Beispiel durch Blockieren der Rettungsgasse oder Befahren und Parken des Seitenstreifens) | Ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt wird |
Unfallautos und/ oder Unfallopfer fotografieren und filmen | Ist eine Straftat, die mit einer Geldstrafe und eventuell einer mehrjährigen Gefängnisstrafe geahndet wird |
Unterlassen von Hilfeleitungen | Es handelt sich hierbei um eine Straftat, die mit einer Geldstrafe und eventuell auch einer Freiheitsstrafe geahndet wird |
Fotos oder Filme von Unfalltoten anfertigen (Neu seit 01.01.2021) | Ist eine Straftat, die mit einer Geldstrafe und eventuell einer mehrjährigen Gefängnisstrafe geahndet wird |
Wenn mehrere Delikte zusammenkommen, fallen die Strafen dementsprechend höher aus. In jedem Fall wird Betroffenen wie auch Beschuldigten empfohlen, sich fachlichen Rat durch einen Anwalt einzuholen.
Die Auswirkungen gaffender Menschen bei Unfällen
Gaffende Menschen schauen zu anstatt zu helfen. Aber das ist nicht alles, womit sie sich im Auge des Gesetzgebers schuldig machen. Sie behindern durch ihre Anwesenheit Sanitäter, Polizeikräfte und Feuerwehrleute bei ihren lebenswichtigen Einsätzen, indem sie den Zugang wichtiger Rettungswege blockieren. Dadurch rauben sie den Rettungskräften wertvolle Zeit, die am Ende möglicherweise einem Opfer das Leben kosten kann.
Gaffende Verkehrsteilnehmer riskieren demnach mit ihrem vermeintlichen Fehlverhalten das Leben anderer. So sieht es der Gesetzgeber. Wenn Unfallopfer reanimiert werden müssen, zählt jede Sekunde. Und wenn Verletzungen und schwerwiegende Blutungen nicht sofort behandelt werden können, steht das Leben der Opfer auf dem Spiel.
Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten
Was gaffenden Verkehrsteilnehmern vorgeworfen wird: Sie stören nicht nur die Abläufe an einer Unfallstelle, sondern wollen vor allem ihre Sensationsgier befriedigen und daraus noch Profit schlagen. Ihren Drang zum Voyeurismus teilen sie dann mit anderen, indem sie ihre Aufnahmen veröffentlichen. An die traumatisierten, unter Schock stehenden oder verletzten Opfer, deren Persönlichkeitsrechte sie damit übergehen, denken sie in dem Moment nicht.
Unfallopfer müssen schnellstmöglich medizinisch betreut und behandelt werden. Die Polizei muss den Unfallhergang bestmöglich rekonstruieren können, die Feuerwehr muss die Straßen schnellstmöglich wieder befahrbar machen. Zuschauer am Straßenrand oder an der Unfallstelle verzögern diese Arbeiten und gefährden Menschenleben. Weil sich derlei Vorfälle gehäuft haben, hat der Gesetzgeber beim Gesetz nachgebessert.
Strafe Gaffer Das Behindern von Rettungskräften kann tödliche Folgen haben. Der Gesetzgeber hat deshalb das Strafmaß angehoben. Am 13.11.2019 wurde das Gesetz zum Schutz von Opfern im Straßenverkehr aktualisiert und im Bundeskabinett neu beschlossen. Strafen für Gaffer werden seitdem höher angesetzt. Die Strafen für Schaulustige, die tödlich verunglückte Unfallopfer fotografieren oder filmen, sind erhöht auf eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Das Gesetz trat am 01.01.2021 in Kraft.
Die Rettung von Verletzten und der Schutz von Menschenleben haben für den Gesetzgeber oberste Priorität.
Korrektes Verhalten am Unfallort: Eine Anleitung
Wird man Zeuge eines Unfalls, kommt es 1. auf sofortige Hilfeleistung und 2. auf richtiges Reagieren an. Wer nicht hilft, verstößt gegen die StVO und macht sich strafbar. Um möglichst korrekt zu helfen, sollten Verkehrsteilnehmer folgendermaßen vorgehen:
- Die Unfallstelle absichern (dazu gehört: Warndreieck aufstellen, Warnweste anziehen)
- Notrufnummern wählen (112 und 110)
- Erste Hilfe leisten, nach bestem Wissen und Gewissen
- Warten auf die Einsatzkräfte
- Den Anweisungen der Einsatzkräfte Folge leisten
- Entfernen vom Unfallort nach Ankunft und Aufforderung der Polizei
Wer Zeuge eines Unfalls wird, bei dem bereits Erste Hilfe geleistet wird, sollte sich wie folgt benehmen:
- So zügig wie möglich vorbeifahren, nicht stehen bleiben und nicht drängeln
- Stockt der Verkehr, unbedingt Platz für die Rettungsgasse lassen, um eine reibungslose und schnelle Durchfahrt der Rettungsfahrzeuge zu ermöglichen
- Keine Foto- oder Videoaufnahmen machen
- Den Anweisungen der Rettungskräfte folgen
Es ist nicht erlaubt, sich an eine Unfallstelle zu stellen, bei der bereits Hilfe geleistet wird. Dieses Verhalten verstößt gegen die StVO.
Nochmal: Penetrantes Zuschauen ist mehr als nur ein Kavaliersdelikt
Unfälle passieren täglich. Fast ein jeder Verkehrsteilnehmer oder Passant kann schnell selbst in die Situation geraten, Zeuge eines Unfalls zu werden und wird vielleicht zu einem neugierigen Beobachter, ohne das selbst wahrzunehmen.
Ein paar einfache Regeln können helfen, um sich bewusst zu machen, wie man so ein Verhalten für sich selbst umgeht und auch bei anderen einschränkt. Dazu gehören:
- Nicht langsam am Unfallort vorbeifahren, um möglichst viel vom Unfallgeschehen erblicken zu können
- Auch als Beifahrer entsprechend reagieren und den Fahrer bitten, ohne zu gaffen weiterzufahren, wenn er bereits langsamer wird an der Unfallstelle
- Nicht aus dem Fenster schauen, sondern stattdessen nach vorn schauen und möglichst zügig am Unfall vorbeifahren.
- Nicht das Smartphone aus der Tasche holen, um Bilder oder Filme vom Unfallgeschehen und den Opfern zu machen (auch wenn diese Aufnahmen nur für einen selbst sind, es ist strafbar!)
- Andere darauf aufmerksam machen, wenn sie zuschauen (und möglichst mit den rechtlichen Konsequenzen konfrontieren)
- Andere unbedingt darauf aufmerksam machen, wenn sie filmen oder fotografieren und daran erinnern, dass es sich um eine Straftat handelt
- Keine Videos von Gaffern im Netz anklicken (wer solche Videos anklickt und anschaut, ist letztlich genauso in der Verantwortung wie der Videomacher selbst)
- Menschen, die solche Videos schauen oder verbreiten, ebenfalls über den Ernst der Lage aufklären
Wer sich bei einem Unfall dazustellt oder länger hinschaut, sollte sich für einen Augenblick in die Lage der Opfer hineinversetzen. Niemand möchte vertraute und nahestehende Personen, die tragischerweise bei einem Unfall verstorben sind, später wieder im Internet sehen.
Fazit: Wenn bereits ein Bußgeldbescheid oder ein Strafbefehl vorliegen, dann hilft nur noch der Weg zum Fachanwalt.
FAQ zum Thema: Gaffer Strafe
Gaffer ist der abwertende Begriff für einen schaulustigen Menschen, der am Unfallort eines Unglücks Rettungskräfte bei ihrem Einsatz behindert und mitunter Opfer und Schäden filmt, anstatt Hilfe zu leisten.
Schaulustige schauen nicht nach einigen Sekunden wieder weg, wenn sie Zeuge eines Unglücks werden. Sie bleiben bewusst an Ort und Stelle, um möglichst viel zu erspähen.
Ja. Je nach Schwere des Gaffens wird es mit kleineren Geldstrafen bis zu mehrjährigen Gefängnisstrafen belegt.
Gaffende Zuschauer filmen in der Regel mit ihrem Smartphone den Ort des Unfallgeschehens und die betroffenen Unfallopfer. Die meisten Schaulustigen stellen ihre Videos auf YouTube online. Je mehr vom Unfallgeschehen und den Opfern gefilmt wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Video viral geht.